Eine der ersten Aussagen die ich im Rahmen meiner Berufsausbildung zu hören bekommen habe war dieser Leitsatz.
Leider sieht man in der Praxis immer wieder (Amateur-)Fotografen die darauf verzichten. Insbesondere wenn zusätzlich vor dem Objektiv noch besondere Effektfilter montiert sind. Manchmal werden auch finanzielle Aspekte als Verzichtsargument angeführt. Rekordhalter sind aber die Zeitgenossen, die eine Gegenlichblende besitzen, sie zu Transportzwecken „verkehrt herum“ aufgesteckt haben. Aber zu faul sind, die Gegenlichtblende kurz vor der Aufnahme umzudrehen und gewinnbringend einzusetzen.

Streulichtblende ist der bessere Begriff
Genau genommen ist die Bezeichnung „Gegenlichtblende“ falsch! Es ist nur bedingt Ziel damit direktes Gegenlicht abzuhalten. Viel mehr geht es darum wild umher vagabundierendes Streulicht abzuhalten. Unkontrollierte Lichtreflexe, die sich auf den Linsen eines Objektives spiegeln verschlechtern die Aufnahmequalität extrem.
Der englische Begriff „lens hood“ (wörtlich: Objektiv-Kapuze), oder die bei Kameraleuten im Filmgeschäft übliche Bezeichnung „Mattebox“ (im übertragenen Sinne „dunkle Kiste“) ist vielfach treffender.
Nur der altertümliche Begriff „Sonnenblende“ ist noch schlimmer – auch ohne Sonnenschein ist eine Streulichtblende ein unverzichtbares Hilfsmittel um die Qualität heutiger Hochleistungsobjektive voll auszureizen.
Wer verzichtet verschenkt Qualität
Ein technischer Erklärungsversuch: Generell ist eine Linse ein transparentes Objekt, das Licht in seiner Bahn verändert (Lichtbrechung). Die Frontlinsen von Aufnahmeobjektiven sind üblicherweise nach aussen gewölbte dickbauchige Sammellinsen aus optischem Glas (Konvexlinsen). Gleichzeitig wird aber auch ein kleiner Teil des Lichtes von der Linsenoberfläche reflektiert. Genau dieser Lichtreflex ist der Qualitäts-Killer. An diesem Punkt erfolgt keine präzise Lichtbrechung und somit keine naturgetreue Übertragung der Bildinformation zum Kamerasensor.
Am einfachsten vorstellen kann man sich den Effekt, wenn man an eine glänzende Christbaumkugel denkt. Die Kugel hängt am Weihnachtsbaum, alle Kerzen brennen und spiegeln sich als kleine Punkte auf der Oberfläche der Kugel wieder. Wer genau hinschaut bemerkt, dass es um jeden scharfen Lichtpunkt zusätzlich noch einen kleinen hellen Saum gibt, der eigentlich nicht mehr zum Abbild der Kerze gehört. Dieser Lichthof sorgt dafür, dass nicht zu erkennen ist, was sich in unmittelbarer Nähe zur Kerze befindet.
Auch wenn ein Lichtsaum zum romantischen Bild einer Christbaumkugel sehr gut passt, ist es in den meisten anderen fotografischen Situationen ein eindeutiges Problem, wenn ein Teilobjekt nur schemenhaft oder gar nicht abgebildet wird. Nochmal zur Verdeutlichung: Die Frontlinse eines Objektives ist eine Teilfläche einer Kugel. Somit ist das Beispiel mit der Christbaumkugel sehr praxisgerecht.

Der unbemerkte Super-GAU: großflächige Reflexionen
Noch mehr Aufnahmequalität geht verloren, wenn sich eine große, helle Fläche im Objektiv widerspiegelt. Die Schärfenleistung und Kontrastübertragung des Objektivs sinkt rapide. Qualitätsverluste bis zu 50% sind keine Seltenheit.
Wieder ein Praxisbeispiel: Landläufig hört man immer wieder die Aussage „In Innenräumen braucht’s keine Gegenlichtblende.“ Das ist ausgemachter Quatsch. Gerade in Räumlichkeiten besteht die immense Gefahr einer großflächigen Reflexion.
Der geneigte Fotograf verwendet in geschlossene Räumlichkeiten sein Elektronenblitzgerät. Um Schlagschatten zu vermindern richtet er es indirekt gegen die Zimmerdecke. Die helle Zimmerdecke wird so zu einer immens großen leuchtenden Fläche, die sich ohne Streulichtblende in der Frontlinse seines Objektives widerspiegelt. Das gleiche gilt natürlich auch für in der Decke verbaute Raumbeleuchtung.
Streulichtblende XXL: Im Studio wird nicht benötigtes Licht eingefangen
Table-Top Fotografie ist ohne schwarzes Theatermolton nicht denkbar. Um das das Maximale an Brillanz und Abbildungsleitung zu erzielen wird jedes erdenkliche Streulicht mit Hilfe von Molton abgeschirmt und so von der Kamera ferngehalten. Nicht selten verschwindet der zu fotografierende Gegenstand und die Kamera in einem Tunnel aus schwarzem Tuch.
In der Porträt- oder Modefotografie werden mannshohe mit Molton bespannte Rahmen verwendet, dass die Studiobeleuchtung nur das Motiv, aber nicht den sonstigen Raum erhellt.

Der einfachste Weg Streulicht zu vermeiden
Ein Streifen schwarzer Karton, zu einer Röhre gerollt und mit einem Schießgummi am Objektiv fixiert – fertig! Kostet keine 2,—€. Hat eine halbe Meisterprüfung lang gute Dienste geleistet.
Besonders bei Aufnahmen mit Weitwinkelobjektiven muß man häufig durch Improvisation seitliches Streulicht abhalten. Für diesen Zweck habe ich einen ca. DIN A4 großes Stück steifen Karton mit schwarzem Samt bespannt. Einfach im passenden Winkel über die Kamera halten – und wieder fertig!
Egal zu welchem Mittel man greift – durch Improvisation gewinnt man Qualität!
Und wie immer: keine Regel ohne Ausnahme
Es gibt auch Momente, in denen man auf eine Streulichtblende verzichten sollte. Mir fallen da spontan zwei Situationen ein:
Zum Ersten bei Verwendung eines in der Kamera eingebauten kleinen Blitzgeräts in Verbindung mit Weitwinkelobjektiven. Hier führt die Streulichtblende manchmal zu Abschattungen.
Ein zweiter Verzichtsgrund kann starker Wind sein. Gerade die großen Streulichtblenden von langen Teleobjektiven können bei stürmischem Wetter die Gefahr von Verwacklungsunschärfe erhöhen. Dann ergibt sich der notwendige Kompromiss auf die Verwendung zu verzichten.
In eigener Sache: Baumloewe erklärt
Da sich über die Jahre mehrere Artikel zum Themendunstkreis Bildgestaltung, Kamera- und Aufnahmetechnik angesammelt haben, werden diese von nun an unter dem Schlagwort „Baumloewe erklärt“ zu einer eigenen Rubrik zusammengefasst.